Geburtstagswanderung auf den Mount Kerinci!

Nach den zwei nächtlichen Busfahrten schliefen wir erstmal gehörig aus. Gegen 10 Uhr begrüßten wir unseren Host erneut, bekamen Bananen-Pfannkuchen von seiner Frau zum Frühstück gebacken und bewunderten die grünen Teefelder, die sich endlos erscheinend auf der anderen Straßenseite erstreckten. Wir unterhielten uns kurz mit zwei Kanadiern, die die gleiche Wanderung auf den Gunung Kerinci gemacht hatten, die wir am nächsten Tag starten wollten und streunerten die Straße entlang, bis es anfing zu regnen.

Die Wettervorhersage hier im Kerinci Tal sieht jeden Tag gleich aus. Jahreszeiten gibt es nicht wirklich, aber gegen 13 Uhr startet es normalerweise zu regnen und hört dann bis abends gegen 22 Uhr auch nicht mehr auf. In der Nacht klart der Himmel auf und zeigt seine Sterne bis er zum Sonnenaufgang wieder Wolken vorschiebt und die Sicht auf den Gipfel versperrt. Anschließend sammeln sich immer mehr Wolken, bis sie gegen 13 Uhr zu schwer werden und wieder anfangen sich zu entleeren. Aus diesem Grunde verbrachten wir den Nachmittag in unserem Zimmerchen, lasen im Reiseführer und planten unsere Wanderung.

Eigentlich waren wir in Sumatra ja nur durch Zufall, da unser erster Plan gesprengt wurde, aber wo wir schon einmal hier waren dachten wir uns eine Abwechslung zum tagelangen im-Bus-sitzen wäre nicht verkehrt. Außerdem stand Yannicks Geburtstag vor der Tür und die Besteigung des höchsten aktiven Vulkans in Südostasien (und dem zweithöchsten in ganz Eurasien!) schien uns eine willkommene Aktion um Geburtstag zu feiern. Die Zwei-Tagestour darf man als Fremder allerdings nur mit einem einheimischen Guide begehen, sodass wir uns damit anfreunden mussten, in Begleitung zu wandern. Allerdings hat das auch Vorteile, denn alles Essen, welches von der Host-Oma zubereitet war, wird vom Guide getragen und so waren unsere Rucksäcke nach dem Umpacken federleicht. Zelt, Isomatten, Schlafsäcke und Schlafanzug, Regenjacke, 1.Hilfe-Set, Kamera und Trinken. Da kommt nicht so viel Gewicht zusammen. Aufgrund der starken Regenfälle deckten wir uns zusätzlich noch mit lokaler Regenbekleidung ein (Regenponcho + Hose aus dünnem Plastik), damit unsere Beine auch geschützt wären.

Nach dem Geschenke auspacken und einem weiteren Pfannkuchen zum Frühstück lernten wir unseren Guide Mai kennen, der zwar klein war aber gut trainiert wirkte. Sein Rucksack war größer als unsere zusammen und sicherlich auch genauso schwer. Kurz hatten wir ein schlechtes Gewissen, doch dann dachten wir uns, dass das eben sein Job ist und er das sicherlich schon gewöhnt sei. Mit seiner ¾ Hose und den Gummistiefeln sah er ziemlich lustig aus, doch seine Schuhwahl ist durchaus begründet und auf großen Teilen der Strecke auch sehr nützlich, wie sich später herausstellte.

Ein Auto brachte uns zum Ausgangspunkt (1500 m) und dann marschierten wir los. Nach zwei Stunden befanden wir uns bereits beim Shelter I (2200 m), worauf gleich eine einstündige Pause folgte. Der Weg bis dorthin führte durch Dschungel und war ziemlich matschig, sodass wir über den ein oder anderen Baumstamm balancierten und bevorzugt nasse Baumwurzeln traten, obwohl man die sonst ja aus der Angst auszurutschen eher meidet. Mai stiefelte einfach mitten durch den Matsch, aber mit seinem schweren Rucksack wäre balancieren auch nicht so einfach gewesen. Ab und zu landeten wir natürlich doch mal im Morast und unsere Turnschuhe waren dann schnell durchnässt. Eine weitere Stunde Fußmarsch später wurden wir schnaufend gefragt, ob wir was essen wollten. So doll Hunger hatten wir eigentlich noch nicht, aber vielleicht ja unser Guide, wenn er bereits das zweite Mal fragt? Wir bekamen eine Brotzeitdose mit Reis, Ei, Kartoffelbratlingen und Gemüse, sogar ein Löffel war darin und wir mussten schmunzeln, denn das war eine wahrhaftige von-Oma-hergerichtete Mahlzeit. Auch Kekse wurden hervorgezaubert und so fiel das Weiterlaufen auf dem zunehmend steileren Weg mit den vollen Bäuchen anfangs ganz schön schwer.

Kurz darauf startete es dann zu regnen und wir kleideten uns und unsere Rucksäcke in so viel Regenschutz wie möglich. Die Wassermassen machten das Wandern deutlich schwieriger und das hat einen einfachen Grund. Im Gegensatz zu den in Serpentinen angelegten Wanderschleifen die in Deutschland langsam zum Gipfel führen geht man hier einfach schnurgeradeaus den Berg hoch. Und zwar da, wo natürlicherweise ein „Weg“ ist: Da, wo das Wasser den Berg runterfließt. Mit dem Regen entwickelte sich unser Pfad also eher zu einem Flussbett, durch das wir wateten und spätestens jetzt waren die Füße nicht mehr feucht sondern tropfnass. Die Regenhosen leisteten erstaunlich gute Arbeit, sodass wenigstens nur die unteren Zentimeter der Hose nass waren (Indonesier haben kürzere Beine als wir) und unsere Regenjacken hielten auch dicht. Vorbei an Shelter II (2800 m) stiegen wir immer weiter hinauf, zogen uns an Baumstämmen und Ästen voran, versuchten den Halt nicht zu verlieren und den tiefen Matsch irgendwie zu umgehen. Es floss uns jedoch nicht nur das Regenwasser, sondern auch eine beträchtliche Menge Müll entgegen. An Übernachtungsplätzen war die Ansammlung besonders schlimm, doch eigentlich war der Pfad durchweg von Plastikresten gesäumt. Es war wieder einmal erschreckend, dass Umweltverschmutzung nicht einmal zum Horizont der Leute gehört. Wir glauben, dass die Einheimischen sich gar nicht bewusst sind, was sie da tun. Auch Mai wollte unseren Müllsack am Ende oben lassen, doch unter Protest trugen wir ihn am nächsten Tag wieder nach unten. Besser er liegt dort am Straßenrand, als oben auf einem Berg…

Gegen 14:30 Uhr kamen wir am Basecamp (3300 m) an und Mai erklärte uns sichtlich erschöpft und erleichtert „Finish!“. Wir sind schnelle Wanderer und mussten auf dem Hochweg immer wieder auf ihn warten, statt acht Stunden brauchten wir am Ende nur sechs und das trotz der einstündigen (für uns unnötigen) Pause am Shelter I. Aber unser armer „kleiner Mann“ wie wir ihn liebevoll tauften schleppte ja auch unser gesamtes Essen mit sich rum. Wir nutzten die Gunst der „Regenpause“, in der es nur noch leicht nieselte und stellten schnell unser Zelt auf. Trotz Regenhülle war der Inhalt des Rucksacks nass geworden, zum Glück hatten wir ALLES wasserdicht verpackt! Wir spannten eine Schnur um unsere nassen Sachen irgendwo zu verstauen, in der Hoffnung sie mögen ein wenig trocknen und krochen in unsere Schlafsäcke. Der Weg war anstrengend gewesen und so dösten wir erst einmal weg. Um 16 Uhr hörten wir Mai vor dem Zelt rufen „Hello? You want coffee or tea?“ – Kurz darauf saßen wir mit einer dampfenden Tasse Tee und leckeren Keksen in unserem halbwegs trockenen Zelt und freuten uns über den Zimmerservice. Genauso lief es noch einmal mit dem Abendessen, diesmal warmer Reis, Ei, Tofu und die super leckeren Kartoffelbratlinge. Was für ein Service! Draußen gießt der Himmel die Erde und wir müssen nicht einmal aus dem Zelt raus, um was zu essen. Zum Zähneputzen und Pipi machen trauten wir uns erst raus, als es aufgehört hatte zu regnen. Dann gingen wir zeitig zu Bett, denn morgen ging es bereits um 5 Uhr weiter in Richtung Gipfel!

Im Zelt versteckt!

Die Nacht war unruhig, wir beide hatten Kopfschmerzen und bekamen schlecht Luft. Auf 3300 m Höhe zu zelten ist eben doch etwas anderes. Zwischendrin wachte Theresa auf und fragte sich, was uns die Oma nur zu Essen zubereitet hatte, dass es im Zelt so sehr nach Eierpups stank. Zum Glück blieb die Nacht trocken, sodass sie den Kopf aus dem Zelt stecken und frische Luft genießen konnte. Nebenbei freute sie sich über den klaren Ausblick auf die Sterne am Himmel und im Tal, die sich dort zu kleinen Dörfern gruppierten. Die Hoffnung auf gute Aussicht am Morgen wuchs.

Müde stiegen wir in unsere erstaunlichen trockenen Klamotten, nur die Socken und Schuhe waren nass und dementsprechend ziemlich eisig. Zu unserer Überraschung bekamen wir abermals einen heißen Tee zum Frühstück, der einem das Aufstehen etwas erleichterte. Dann machten wir uns auf den Weg in Richtung Gipfel. Den Dschungel hatten wir bereits hinter uns gelassen und der Weg wurde immer steiniger. Braune Erde in sanften Hügeln wich schwarzem Vulkanstein, der sich scharf und spitz auftürmte. Wie bereits erwähnt hängt der Gipfel eigentlich immer in den Wolken, nur beim Sonnenaufgang hat man die Chance ihn zu sehen. Die Wanderung war ein Kampf gegen die Zeit und wir kämpften gegen die Wolken. Langsam schob sich die weiße geschlossene Decke den Berg hoch, folgte unserem Weg und die Angst den Kampf zu verlieren, am Ende keinen Ausblick zu haben, trieb den Schlaf aus den Beinen. Die Lungen schmerzten, es war anstrengend und wir machten viele kurze Pausen. Auf den kleinen Geröllsteinen rutschten unsere Turnschuhe manchmal, und eine Gruppe indonesischer Studenten hatten wir bereits weit hinter uns gelassen.

Auch Mai fiel langsam zurück, doch das war uns egal, wir wollten nicht warten und am Ende die Aussicht verpassen. Meter um Meter, Windung um Windung schoben wir uns weiter nach oben bis Yannick nach über einer Stunde endlich rief „hier ist Schluss!“. Mit einem dicken Grinsen empfing er kurz darauf Theresa, und wir genossen, was wir sahen. Dieser Moment gehörte nur uns, alleine standen wir auf dem Kraterrand und waren auf 3805 m Höhe die größten Personen Sumatras. Vor uns lag ein mächtiges Loch von ca. 300 m Durchmesser und 200 m steiler Wand nach unten. Der Kraterrand war an der dicksten Stelle vielleicht 2 m breit und ganz unten stieg aus einem kleinen Loch eine dicke schweflig riechende Wasserdampfsäule auf. Zwei Dinge wurden in dem Moment klar: Die kurz aufgezogene schlechte Laune wegen einer Wolke über dem Gipfel war unberechtigt, denn die stetige Wolke produzierte der Vulkan selbst. Und auch der Eierpups in der Nacht war wohl eine über unser Zelt hinwegziehende Schwefelwolke.

Mai wartete etwas unterhalb, wahrscheinlich hatte er den Berg schon oft genug bei noch besserer Aussicht betrachtet. Jetzt hieß es Absteigen zum Zeltplatz und das war einfach gesagt als getan. Auf dem Vulkangeröll nach oben zu steigen war bereits anstrengend gewesen, doch nach unten war die Reibung der Schuhe so schlecht, dass Yannick gleich mehrmals ausrutschte und das, wo er doch beim Wandern sonst nie hinfällt. Es war anstrengend, wir fühlten uns unsicher und noch dazu brannte die morgendliche Sonne bereits mit einer Hitze auf uns, wie man sie sicher nur in solcher Äquatornähe spürt. Irgendwie schafften wir es dann doch ohne Verletzungen zum Zelt, bauten das nasse Zeug ab und waren dankbar um die Sonne, die wenigstens einen Großteil bereits trocknete.

Unser Guide kochte uns Frühstück – zu dem üblichen Gericht gab es nun noch Nudelsuppe, die Yannick genüsslich ausschlürfte und um 9:30 Uhr war endlich alles zusammengepackt. Jetzt lag ein langer Abstieg vor uns und immerhin waren wir schon seit 4,5 h wach! Auch auf dem Weg nach unten waren wir schnell und so kamen wir ohne größere Zwischenfälle bereits um 13 Uhr unten an. Wir waren super froh, dass wir bereits auf dem Rückweg waren und wir den Gipfel ganz für uns alleine gehabt hatten, denn uns kamen mindestens 10 Gruppen, die aus Touristen oder indonesischen Studenten bestanden, entgegen. Die Idylle und unser wunderbares Erlebnis hätte man sich so abschminken können. Unten im Tal angekommen trafen wir noch eine coole Affenbande (sahen aus, als hätten sie Sonnenbrillen auf und einen Irokesen Haarschnitt). Außerdem wanderten wir noch kurz durch die sonnenbestrahlten Felder – in der nährstoffreichen Vulkanerde und dem dauersonnigen Klima mit ausreichend Regen gedeihen nicht nur Tee sondern auch Kohl, Kartoffeln, Chilis und viel mehr!

Erschöpft trockneten wir zurück am Homestay in der restlichen Sonne all unsere Sachen, nahmen eine heiße Dusche und gleich einen Bus in Richtung Sungai Penuh, wo wir übernachteten. Die Wanderung war wirklich besonders, in einen aktiven Vulkan zu sehen ist sowohl etwas beängstigend, als auch wunderschön und als Geburtstagsausflug war das ein richtig gutes Ziel. Es war toll, mal wieder unser Zelt zu benutzen, in der Natur zu sein und seine Beine zu bewegen. Es folgten ein paar Tage wirklich schlimmer Muskelkater, aber die Zeit verbrachten wir sowieso fast ausschließlich damit, in Verkehrsmitteln zu sitzen. Von dieser Odyssee berichten wir euch dann beim nächsten Mal!

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