On the Road! oder #rollerfahrenfetzt

„Es waren mal zwei Motorräder…

… die standen ziemlich lange still. In einer Nebengasse im geschäftigen Ha Noi hatten die beiden motorisierten Drahtesel seit längerer Zeit ihr Zuhause gefunden. Leider ein eher inaktives Heim, in dem sie unbeachtet unter der Plane standen. Nun hatten sie schon einige Jahre auf ihrem Buckel, als plötzlich zwei junge Reisende herbeikamen und sie nach kurzem Probefahren einfach mitnahmen.

Auf diese alten Jahre noch einmal ein Abenteuer? Bis nach Ho Chi Minh City soll es gehen? Da ist es ja kein Wunder, dass man mal ne Runde ächzt. Oder?“

Wie ihr bereits mitbekommen habt, haben wir unser Hauptverkehrsmittel, den Zug, ausgetauscht. Und zwar gegen unsere lieben Motis! Sie sind 18 und 20 Jahre alt und tragen uns bisher mehr oder minder zuverlässig und nach unseren Vorstellungen durch die weiten Vietnams. Um euch mal eine kurze Zusammenfassung zu geben, was zwischen unseren Aufenthalten an paradiesischen Orten so passiert, schreiben wir diesen Blogeintrag.

Der vietnamesische Verkehr hat sicher keine Straßenverkehrsordnung. Und wenn es doch eine gibt, dann wird sie zumindest kollektiv und gründlich missachtet. Auf den ersten Blick wirkt alles wie ein unglaubliches Chaos. Trotzdem sieht man nie Unfälle! Sieht man dann genauer hin, erkennt man, dass die Fahrer der diversen zwei- und vierrädrigen Gefährte genau wissen was sie da tun und um einander herumtanzen. Ungeschriebene Gesetzte gibt es hier auf der Straße schon. Eines der wichtigsten ist wohl: Umso größer man ist, umso mehr Vorfahrt hat man. So befinden wir uns mit unseren zwei kleinen Mopeds gerade noch über den Fahrrädern und damit ziemlich weit unten auf der Liste. Der große Vorteil am verrückten Verkehr ist, dass zumindest alle zweirädrigen Verkehrsteilnehmer aufeinander achten. Im Klartext heißt das: selbst wenn wir uns wie Deppen benehmen, fahren die anderen halt um uns rum. Aufmerksam muss man hier definitiv sein und so wagten wir mutig den Sprung ins Unbekannte und wurden auch Teilnehmer dieser sich fortbewegenden Masse. Yannick als Navigator voraus, Theresa an seiner Flanke. So lautet unsere kleine, aber feine Motorradformation, die wir uns nicht gerne kaputt machen lassen. Man sollte uns also entweder beide, oder keinen überholen.

Am Anfang ging es von Ha Noi nach Cat Ba, was alles noch super funktionierte (ein platter Reifen, aber der zählt nicht als Problem). Yannicks Motorrad hat immer etwas Schwierigkeiten anzuspringen, aber wenn man das Gas genügend aufdreht ist das kein Problem. Theresas Motorrad gleichte zu dem Zeitpunkt „einem Traktor“ (Zitat Yannick), da es so laut war und stark vibrierte, aber solange sie sich drauf sicher fühlt… Leider änderte sich das viel zu schnell. Bereits bei unserer Fahrt von Cat Ba nach Ninh Binh mussten wir einen ungeplanten Zwischenstopp einlegen, da wir in Hai Phong plötzlich den Auspuff von Theresas Moti in der Hand hielten. Nach einer Reparatur ist nun ein nigelnagelneuer Auspuff dran, der einem schon von 100 Meter Entfernung entgegen blitzt. Seitdem ist das Gefährt nur noch halb so laut und auch nur noch halb so vibrierend. Aber immer noch sicher!

Die Fahrt nach Ninh Binh war dann unkompliziert und klappte nach unseren Vorstellungen. Bei den holprigen Straßen vor Ort sind wir zu zweit lieber auf Theresas Moti umgestiegen, da Yannicks anscheinend kaum vorhanden Stoßdämpfer ein unglimpfes Aufsetzen bei jedem Schlagloch zur Folge hatten. Aber solange es mit ihm alleine gut funktionert, soll uns das nicht weiter stören.

Zweihundert Kilometer weiter, in Vinh angekommen, wollten wir wie empfohlen unseren ersten Ölwechsel durchführen. Nur schade, dass Theresas Motorrad kurz vorher das spinnen angefangen hat und immer ausgegangen, bzw. auch nicht mehr angegangen ist. Beim Mechaniker angekommen wurde uns dann erzählt, dass zu wenig Öl drin sei und der Motor nun Schaden genommen hätte – wir hätten früher Öl wechseln sollen – danke für die falsche Information! Nach einer Reparatur über Nacht und 50 € später konnten wir dann wieder auf die Straße und dachten, jetzt sei wenigstens alles gut…

Im Gegensatz zu sonst sind wir zwischen Vinh und Phong Nha nicht mehr auf dem großen Highway 1 gefahren. Das monotone geradeausfahren, auf der viel befahrenen Straße ging uns etwas auf die Nerven und so entschieden wir uns für die abseits gelegene Ho Chi Minh Road. Sie schlängelt sich bergauf und -ab durch wunderschöne, verlassene Natur. Vorbei an Wasserbüffeln, die sich in matschigen Tümpeln und Reisfeldern suhlen und fröhlich vor sich hinmampfen, an Schulkindern, die auf klapprigen und viel zu großen Fahrräder nach Hause zuckeln, während auf dem Gepäckträger das kleine Geschwisterkind sitzt. An Männern, die sich auf Karren von ihren Wasserbüffeln ziehen lassen und an Frauen, die Obst wie in zwei riesigen Waagschalen über der Schulter Richtung Markt tragen. Über kleine Brücken, die unter sich glitzernd klares Wasser beherbergen. Durch Dschungelwälder, die so grün sind wie sie nur sein können und entlang an kleinen, eng gewundenen Straßen ohne Verkehr, die das Fahren interessanter und entspannter machten. Durch Dörfer, auf deren Straßen Getreide wie goldene Teppiche zum Trocknen ausgelegt ist und in deren Ortsmitte eine kleine Kirche steht. Die Entscheidung auf diese Straße umzusteigen, war definitiv richtig! Zumindest für unsere Seelen, die beim Motorradfahren immer im Zwiespalt stehen. Eigentlich ist es cool, doch dann fragen der schmerzende Hintern und die verspannten Schultern gemeinsam mit dem angestrengt konzentrierten Hirn, warum wir das eigentlich machen. Kurz darauf wird man dann wieder entlohnt, wenn man frei und selbstentschieden anhalten kann wie oft und wo man will und jede Abzweigung selbst in der Hand hält.

Auf der Ho Chi Minh Road hat das Motorrad fahren bisher am meisten Spaß gemacht. Der Highway war schön, und interessant zu fahren. Wären da nicht die Momente gewesen, in denen Theresas Moti plötzlich loshoppelte wie wild und nicht mehr gescheit fuhr. Immerhin fand sie schnell heraus, dass sich die Situation durch stehen bleiben und eine Minute warten zumindest für die nächste halbe Stunde erledigt hat. Aber warum zur Hölle leckt da etwas und wieso verbraucht das Ding so unfassbar viel Sprit? Die teure Reparatur war wohl doch nicht so erfolgreich… immerhin konnten wir weiterfahren und nahmen uns fest vor uns die schöne Strecke nicht vermiesen, und das Moti in Phong Nha reparieren zu lassen.

30 km vom Ziel entfernt hielten wir nach einem lauten Ratschen und Aufheulen von Yannicks Moti dann besorgt am Straßenrand des steilen Berges an. Wir beschlossen, unseren Zweirädern eine Abkühlungspause zu gönnen und versuchten auch selbst unseren Wasserhaushalt in den Griff zu kriegen. Unsere Wasserbilanz sieht meistens so aus: 3 Liter oben rein und 8 Liter rausschwitzen.

Als wir weiterfahren wollten folgte dann die Ernüchterung. Da ist nix mehr mit weiterfahren! Das Motorrad sprang zwar an und Yannick konnte auch in alle Gänge schalten aber Kraft auf die Räder brachte der Motor nicht. So als ob er die Kupplung gedrückt halten würde. Wir dachten also sofort daran, dass die Kupplung kaputt wäre. Ratlos und ohne Handyempfang spielten wir unsere Möglichkeiten durch und entschieden uns erstmal auf die Einheimischen zu setzen. Der zweite Mann der anhielt fuhr wenigstens nicht tatenlos wieder weg, sondern signalisierte uns eine „Anschieb“ und eine „Bergrunter“ Geste. Wir sollen das Moti bis zum Gipfel schieben und dann runterrollen? Nein, nein, ER schiebt das Motorrad an. Mit seinem Fuß. Während er auf seinem eigenen Motorrad sitzt. Halb besorgt, halb belustigt beobachtete Theresa das Geschehen von hinten, während sich das wackelige Zweiergespann ganz gut einspielte und Yannick bergab ganz schön Fahrt aufnahm. Der nette Vietnamese brachte uns quasi bis vor die Tür des Hostels und war genauso schnell verschwunden, wie er als rettende Hilfe aufgetaucht war.

Am nächsten Morgen suchten wir also wieder einen Mechaniker auf und stellten erleichtert fest, dass „nur“ Yannicks Kette vom Zahnrad gesprungen war. Grund dafür: Die Zähne waren eher rund als spitz. Also ein neues Kettenset und wenn wir schon dabei sind gleich eine neue Batterie, damit das Moti wieder anspringt. Als nächstes war dann Theresas Maschine dran und schnell war der Motor geöffnet und das Leck gefunden. Ebenso schnell war es auch neu gestopft und kostenlos obendrein die Radlage überprüft und die Kette geölt. Was für ein geschickter und handwerklich begabter Mann, der seinen Job wirklich gründlich machte. Dafür waren wir sehr dankbar.

Seitdem laufen die Motorräder auch gut, bis darauf dass Theresas Moti einmal hoppelte. Durch die Reparaturenwurde das wilde Brüllen der Motoren gegen ein sanftes Schnurren ausgetauscht, was uns sehr zufrieden stimmt.

Unser Fazit bisher ist also eine Hass-Liebe!
Wir hassen es, wenn wir monoton im luftverschmutzten Verkehr eine Straße durch die Stadt geradeaus fahren, nicht wirklich was sehen und in der Sonne brutzeln.
Dafür lieben wir es, wenn wir kleine Straßen abseits fahren und uns durch umso schönere Natur schlängeln, die wir mit einem Bus oder Zug nie zu Gesicht bekommen hätten.
Wir lieben auch die Freiheit, die wir mit den Motis haben und verfluchen gleichzeitig die Unabhängigkeit, wenn sie bedeutet 5 Stunden auf dem gar nicht so bequemen Sattel zu sitzen.
Wir mögen den Fahrtwind, aber nicht den notwendigen Sonnenschutz.
Wir fragen uns, warum wir das machen, wenn die Motorräder mal wieder nicht so funktionieren wie sie sollten. Und wenn sie funktionieren fragen wir uns, was eigentlich unser Problem ist.
Frustration und Ärger werden durch Faszination und Abenteuerlust abgelöst und andersherum.

Alles in allem sind wir bisher aber ganz zufrieden und irgendwie haben wir unsere Schrottmühlen ja auch lieb gewonnen. Immerhin ist die Erfahrung so noch authentischer als mit einem nagelneuen und einwandfreien, motorisierten Drahtesel.

 

3 Comments

  1. Das nächste Mal wähltihr wohl lieber den Waserbüffelkarren.
    Der scheint mir weniger reparaturanfällig.Sieht sehr robust aus!
    Damit wären dann auch alle anderen Zwiespalte beseitigt.

Leave a Comment to yut Cancel Reply