Der „Avatarpark“ und eine lange Zugfahrt

Wer hat vor neun (!) Jahren nicht den Film Avatar im Kino angesehen und sich dabei in die Welt von Pandorra gewünscht. Die schwebenden Felsen zwischen denen die drachenähnlichen Fabelwesen umherfliegen während auf ihrem Rücken die Na’vi reiten hat zumindest uns damals begeistert und beeindruckt. Im Zhangjiajie National Forest Park in Chinas Provinz Hunnan kann man etwas in diese Welt eintauchen und Felsformationen bestaunen, die den Regisseur von Avatar laut der chinesischen Tourismusbranche stark inspiriert hätten. Wen wundert es also, dass wir diesen Ort zu unserem Ziel machten? Und nachdem wir so gerne dorthin wollten, wer könnte da nicht verstehen, dass wir uns einen Zug buchten, in dem wir 20 Stunden im Sitz verbringen müssten, weil die Schlafabteile ausgebucht waren?

Nach der Zugfahrt konnten wir nicht mehr so ganz verstehen, warum wir uns das angetan haben. Mit 120 Chinesen in einem Abteil und auf so engem Raum sitzend, dass es unmöglich war seine Beine auszustrecken, geschweige denn keine anderen Leute berühren zu müssen war unsere Nacht wie ihr euch vorstellen könnt alles andere als erholsam. Noch dazu kommt die unglaubliche Lautstärke (die schreien hier rum, als gäbe es kein Morgen mehr!), die auch erst gegen Mitternacht endet. Da das Licht nicht ausgeschalten wird, kann man eigentlich gar nicht von Nachtruhe sprechen aber wohlwollend könnte man behaupten sie hätte bis 5 Uhr morgens angehalten. Spätestens ab 5:30 Uhr schob nämlich ein Mitarbeiter wieder höchstfrequentiert seinen Essenswagen durchs Abteil, von dem man abwechselnd warme Gerichte mit Reis und irgendwas, Snacks oder Getränke kaufen konnte. Wer will den frühs um 5 Uhr was essen? Oder Mitternachts? Wer sein Ticket zu spät bucht bekommt außerdem keinen Platz mehr, sondern nur ein sogenanntes Standing Ticket. So ging es auch der jungen Holländerin Kimberley, und aus Mitleid endeten wir dann zu viert mit einem Chinesen auf drei Sitzplätzen. Während uns gegenüber ein Opi schnarchend und pupsend auf drei Plätzen quer lag, verbrachten wir die ersten Schlafversuche also aneinander gequetscht. Wie erfolgreich die waren, kann man sich wohl vorstellen. Aber auch in der restlichen Nacht wollte sich keine richtig gute Schlafposition finden lassen, weshalb wir am nächsten Tag ziemlich unausgeruht waren. Außerdem sind uns in diesem Zug die schlimmsten Toiletten auf der ganzen Reise begegnet. Wieso genau die Chinesen nicht die Spülung betätigen, sondern lieber noch eins auf die Hinterlassenschaften des Vordermanns drauf setzen will uns nicht so ganz in den Kopf gehen… Vielleicht erfreuen die Chinesen sich nicht nur an hohen Glastürmen? Aber wenn man gleich 12 Haufen auf einmal erblickt wenn man die Klotür öffnet, dann hält man lieber noch zwei Stunden bis zur Ankunft in Zhangjiajie aus!!!

Wie dem auch sei, haben wir es ja überlebt und bei Ankunft prompt unsere weitere Reiseroute umgeschmissen, damit uns sowas nicht noch einmal passiert. Aber dazu später mehr.

Nach einem faulen Tag und einer erholsamen Nacht im ruhigen Doppelzimmer unseres süßen Hostels fuhren wir mit dem Bus zum Dorf Wulingyuan, das direkt am Nationalpark liegt. Rucksäcke abgestellt, Karte geschnappt, Ticket gekauft und los geht’s. Übrigens muss man sich den Park als eine Mischung von National- und Freizeitpark vorstellen. Es gibt zahlreiche Seilbahnen, Aufzüge und Busse, die einem das Wandern abnehmen und die 20 Mio. Besucher im Jahr durch die Natur schleusen. Außerdem findet man an jeder Ecke was zu Trinken und zu Essen.
An dem halben Tag den wir noch übrig hatten nahmen wir uns das Gebiet des Tianzi Mountain (Helong Park) vor und wanderten im Gegensatz zu den meisten Leuten langsam durch die Natural Ten Mile Gallery auf den Berg hoch. Auf diesem Weg boten sich uns viele schöne Ausblicke und Fotomotive an. Oben angekommen wurden wir etwas von der Menschenmasse überrumpelt und machten uns nochmal auf den Weg zu einem etwas abgelegeneren Gebiet. Leider war danach die Bergbahn bereits geschlossen – Ups. Da hatten wir wohl eine falsche Info. Also einmal mit dem Bus über die gesamte Bergkette, bis wir am Bailong Elevator, einem 326 m hohen Aufzug aus Glas, der außen frei an einem Felsen fährt, angekommen waren. Von dort konnten wir mit dem Bus noch aus dem Park raus fahren.

Am zweiten Tag wollten wir uns das etwas frequentiertere Gebiet von Yianjiajie anschauen. Wir entschlossen uns, die Seilbahn hochzufahren und dann wieder runter zu laufen und stellten uns geduldig in die Schlange. Nach sage und schreibe 4 Stunden Schlange stehen für Bus, Ticket, Seilbahn und Bus sind wir dann endlich dort angekommen, wo wir hin wollten und starteten unsere Erkundungstour. Es ging vorbei an der Greatest National Bridge und dem Heaven Pillar/Hallelujah Mountain, sowie den Avatar Floating Mountains. Nachdem wir uns durch alle Touristenmassen gekämpft hatten, waren wir nach der Abzweigung zum Abstieg zum Golden Whip Stream plötzlich ganz alleine. Das heißt nicht ganz, denn wir trafen den Schweizer Pascal, der auch ins Tal laufen wollte und begingen den Weg nach unten gemeinsam. Am Goldpeitschenfluss angekommen teilten sich die Wege, denn wir wollten zu unterschiedlichen Eingängen des Parks zurück. So schlenderten wir an dem kleinen plätschernden Bach entlang bis zur Bushaltestelle und ergatterten nach einer weiteren halben Stunde anstehen einen Platz im Bus.

Unser Fazit zum Zhangjiajie National Forest Park? Es bietet sich hier wunderschöne Natur, und die „schwebenden“ Felsen sind wirklich beeindruckend. Die Touristenmassen mindern etwas den Spaß an der Sache, aber wenn man etwas weiter ab vom Schuss wandert, hat man den Park für sich. Man darf einfach keinen „Nationalpark“ erwarten, wie man ihn kennt sondern muss sich etwas auf Freizeitpark einstellen. Dann sieht man die Sache schon gelassener. Außerdem hilft es sicher auch, wenn man nicht gerade während den chinesischen Sommerferien unterwegs ist!

 

 

 

 

1 Comments

  1. Stöckchen Frage : Ich denke es ist eine Art Ritual, mit Anliegen, Gebeten pro Stöckchen
    ähnlich wie an der Klagemauer mit den Zettelchen.
    Eigentlich sind die Rituale sich alle sehr ähnlich, egal woran die Menschen glauben.
    Das finde ich immer wieder sehr spannend und aufschlussreich.

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