Roadtrip in die Wüste Gobi

Wüste Gobi – Sand, Sand und nochmal Sand. Daran denkt man wohl als erstes, wenn man von dieser Landschaft hört. Dabei sind nur 3 % der gesamten kargen Steppenlandschaft überhaupt von Sand geprägt. In der Mongolei besteht das weiträumige Trockengebiet noch aus relativ lebensfreundlicher Gras- und Sandsteppe, also eher Halbwüstenlandschaften. Das heißt gleichzeitig, dass die Gobi ziemlich abwechslungsreiche Szenerien bereithält, und um diese zu Gesicht zu bekommen, machten wir uns für eine knappe Woche aus dem Ulanbataarschen Staub…

Die Reisecrew

Die Tour bestritten wir natürlich nicht allein. Im Woodpeckers Inn, unserem lieb gewonnenen Hostel hier in UB, suchten wir nach Gleichgesinnten und wurden schnell fündig. Ondrala, die gute Seele hier organisierte uns die Tour so günstig wie möglich, sprich: Nur Fahrer, kein Guide, selbst Kochen auf dem Gaskocher. 50 $ für Auto und Fahrer pro Tag + Essen + Spritkosten. Das ganze durch vier macht nach Kalkulation also ca. 25 $ pro Person pro Tag. Klingt nach einem Plan oder? Dann wollen wir unsere kleine aber feine Reisegruppe mal vorstellen:

Zunächst wäre da die finnische, dauerlächelnde und gut gelaunte Sanni. 24 Jahre alt, studiert Forstökonomie und -management in Helsinki und nutzt ihre Semesterferien gerne zum ausgiebigen Reisen. Als gute Seele kümmerte sie sich auf unserem Roadtrip um den Fahrer, kommunizierte mit ihm über äußerst amüsante Körpersprache und sorgte dafür, dass er auch genug zu Essen bekommt. Ein bisschen aufgedreht und verrückt ist sie manchmal – doch dadurch war die gute Laune immer garantiert. Wir haben sie schnell in unser Herz geschlossen.

Nummer vier unserer Truppe war der 29-Jährige Franzose Matthieu. Nach fünf Jahren ist der Comic-Illustrator das erste Mal wieder im Urlaub, was gleich damit begann, dass sein Gepäck beim Umsteigen in China am Flughafen hängen blieb. Ohne seine Sachen hing er also ein paar Tage in UB fest und versprach dann: „Wenn mein Gepäck bis morgen da ist, dann komme ich mit euch!“ – Glücklicherweise konnte er tags darauf seinen Rucksack abholen und so war das Quartett vervollständigt. Mit seinen Mal-Künsten erstaunte er uns immer wieder und wir warteten gern ein paar Minuten länger um anschließend seine Gemälde bestaunen zu können.

Nicht zu vergessen ist Tomoro, der Eiserne. 56 Jahre alt und nur drei Wörter Englisch im Gepäck kutschierte Ondralas Schwiegervater uns die letzten Tage über Hügel und Stein durch die Gegend. Die Bitte „please feed him well“, die wir mit auf den Weg bekamen war gar nicht so leicht zu erfüllen, denn die Mongolen essen bekanntlich vor allem Fleisch und wir kochten fast ausschließlich Gemüse. Tag für Tag lernten wir dazu, was auf seinem Speiseplan akzeptiert und was mit einem kreuzen der Arme und einem Gesicht verziehen deutlich abgelehnt wurde. Irgendwie klappte die Kommunikation mit Händen und Füßen dann doch und so waren wir glücklich über die Wahl unseres Fahrers.

Dann kanns ja losgehen!

Tag 1

Am ersten Tag wurde das Auto mit unseren Campingsachen vollgestopft, kräftig eingekauft und dann losgebraust. Das größte Stück fuhren wir auf der asphaltierten Straße, nur die letzte Stunde wurden das erste Mal unsere Fähigkeiten, sich im Auto so einzukeilen, dass man nicht durch die Gegend purzelt abgefragt. Unser Gefährt, ein russischer Geländewagen, besitzt nämlich nur an Fahrer- und Beifahrersitz Anschnallgurte. Dazu kam, dass sich die Rückenlehen von Sanni und Theresa frei bewegte, sich also immer weiter nach hinten bog, während das dahinter gestapelte Gepäck komprimiert wurde. Es ist also eine Kunst, sich in dem hopsenden Wagen das querfeldein über „Straßen“ durch die Steppe rumpelt auf seinem Sitz zu halten. An unserem Tagesziel, den Bagar gazariin Chuluu angekommen stellten wir schnell unsere Zelte auf, um dann in einem langen Spaziergang die Gegend zu erkunden. Bei den wie aufeinandergestapelte Münzen aufragenden Felsen juckte es uns in den Fingern, daran zu bouldern. Leider kleine Kletterschuhe und auch kein Crashpad in Sicht. So erklommen wir nur die Türme, die sich auch ohne Kletterequipment bekraxeln ließen und genossen die Rundumsicht auf diese speziellen Felsen.

Tag 2

Weiter gehts mit dem Gerumpel zurück auf die geteerte Straße. Nach ein paar Stunden Fahrt zweigte Tomoro mitten im nirgendwo nach links in die Steppe ab, und fuhr dann wie immer nach dem folgenden Muster weiter: Schön Gas geben, solange kein Huckel kommt, dann ein spektakuläres Bremsmanöver hinlegen um den Wagen vorsichtig über Unebenheiten zu bugsieren und dann wird weiter gerast. Wird die „Bodenwelle“ nicht rechtzeitig erkannt, so kommt es schonmal vor, dass man sich den Kopf an der Scheibe oder auch an der Wagendecke anschlägt. Außerdem wird weniger geradeaus auf die Fahrspur, sondern mehr nach links oder rechts geschaut. Denn die Mongolen orientieren sich nach intuitivem Gefühl und wenn ihnen was bekannt vorkommt. Das zauberte bei der weiten Steppe doch einige Fragezeichen in unsere Gesichter, aber jeden Tag vertrauten wir Tomoro mehr in dem was er da tut. Schließlich kamen wir ja auch immer dort an, wo wir hin wollten. Das heutige Ziel: die sandigen Klippen von Tsagaan suwraga. Nach den ersten paar Minuten wurden wir gleich mit einem netten Regenguss begrüßt, doch anschließend hörten wir Ondrala in unserem Kopf sagen: „actually rain in Gobi is really nice, because of all the colors“. Wir erkundeten die Gegend und fühlten uns, als wären wir auf dem Mars gelandet. Die rot-lilane Sandlandschaft sah wunderschön und zugleich so unnatürlich aus. Da das Wetter sich nicht wirklich nachhaltig bessern wollte erfuhren wir durch ein UB-Übersetzungsgespräch am Telefon, dass wir vielleicht besser in ein Hotel gehen sollten. Viel Wind und Regen könnte in der Nacht kommen. Nicht mit uns, wir wollen doch campen! Vielleicht gibt es ja irgendwo einen Hügel oder Canyon, in dem man etwas windgschützt ist? Wenige Stunden später sollten wir diese Entscheidung nochmal deutlich hinterfragen. Wir erlebten am Anfang der Nacht einen heftigen Sturm, bei dem Sannis Zelt kollabierte und wir uns von innen gegen unsere Zeltwand stemmten, damit uns nicht das gleiche Schicksal wiederfährt. Außerdem hat es durch das Fliegengitter des Innenzeltes sehr feinen Sand in unsere Zelte gewirbelt. Dieser machte es fast unmöglich seinen Zeltgenossen zu erkennen und belegte sogleich alles mit einer feinen Schicht. Nicht wirklich angenehm so eine Dusche. Selbst das innere seiner Ohren musste man von dem feinen Sand befreien. Die restliche Nacht konnten wir aber ruhig schlafen.

Tag 3

Alle noch am Leben? Alle Zelte noch ganz? Im Mund knirscht auch Nichts mehr? Nach dem schon fast routinierten Zusammenpacken und Frühstück an Tomoros Campingtisch machten wir uns wieder auf den Weg. Tagesziel für heute: Yolin Am, die Geierschlucht. Dort angekommen wanderten wir eine knappe Stunde immer weiter in die malerische Schlucht hinein. Als sie begann, sich wieder zu öffnen erkannten wir, dass der Wanderweg wohl endlos so weiterging und beschlossen umzukehren und stattdessen auf einen Berg am Anfang der Schlucht aufzusteigen. Wir waren wohl die einzigen Touristen, die sich das trauten und so thronten wir eine Weile mit fantastischer Aussicht auf dem Gipfel. Wie aus dem Nichts flogen plötzlich bis zu 15 Geier knapp über unseren Köpfen. Man sind die riesig! Die Vögel zogen ihre Kreise und verschwanden dann wieder hinter der nächsten Kuppe – Was für ein schönes Erlebnis.

Der Wanderung folgte eine lange Fahrt – uns wurde vorher versprochen, bereits mit Blick auf die Sanddünen zu zelten, Tomoro hielt irgendwo im nirgendwo an. Nach einem klärenden Telefongespräch nach UB und viel Gefluche fuhren wir mit angespannter Stimmung weiter. War er jetzt sauer? Nach einer weiteren Stunde Fahrt und Landschaft, die bereits nahe den Dünen gelegen war entschieden wir unseren Fahrer zu erlösen und fragten ihn in der gewohnten Zeige- und Englisch-Mongolischen Frage, ob wir hier nicht zelten könnten. Er zeigte auf die Jurten und gab ein meckerndes Blabla von sich, dass uns alle zum Lachen brachte. Okay, nahe der Gers kein Camping, da die Leute das nicht wollen. Ein Maoam später war die Stimmung wieder gut und die letzte Jurte ließen wir auch schon bald hinter uns. Mit vollen Bäuchen genossen wir noch eine ganze Weile den atemberaubenden Sternenhimmel, bevor wir alle in unsere Zelte krochen.

Tag 4

Khongoryn Els wir kommen! Endlich Sanddünen. Keine Blumen oder Wasser mehr, sondern echte Wüste. Finally! Der Weg bis dort hin laut Ondrala: Kurz, aber sehr schlechte Straße. Dann wollen wir doch mal sehen. Nach einer Stunde Fahrt hatte Tomoro wohl keine Lust mehr und bot kurzerhand Yannick das Steuer an. Aber klar nahm er das Angebot an! Wir anderen drei witzelten also schon über unseren nahenden Tod auf der Rückbank und als die erste große Bodenkuhle wie aus dem Nichts erschien legte er begleitet von Tomoros Rufen und anschließendem Lachen noch eine rumpelnde Vollbremsung hin. Nach ein paar Kilometern hatte Yannick sich dann an den Fahrweg gewöhnt und kutschierte uns in ehrenhafter Vertretung wie ein echter mongolischer Fahrer durch die Wüste. Neben uns zog sich bereits die Sanddüne vorbei und wir bestaunten mit großer Vorfreude die gewaltigen, fast weißen Hügel.

Endlich angekommen stopften wir uns ungeduldig ein Brot rein und dann ging es endlich los. Wir erkundeten die Dünen, kamen schnaufend oben an und hatten selten so viel Spaß, wie auf der anderen Seite wieder runter zu pesen. Mitten in unserem spaßigen Fotoshooting trafen uns dicke Tropfen und so machten wir uns schleunigst auf den Weg zurück zum Geländewagen. Wir harrten zwei Stunden im Auto aus, stellten unsere Zelte auf und nahmen anschließend eine einstündige Kreuzfahrt auf Wüstenschiffen durch die Steppe in Anspruch. Für den Sonnenuntergang stiegen wir erneut auf und genossen die unglaublich ruhige, kraftvolle Atmosphäre. Wir waren selten so begeistert und beeindruckt von einem Ort. Die Sanddünen sehen nicht nur schön aus, sondern man kann sie mit dem ganzen Körper erspüren. Mal ist der Untergrund hart wie Asphalt, dann weich wie man es sich von Sand vorstellt, manchmal bilden sich scharfe Kanten und direkt daneben findet man einen sanften Hügel. Die Vielfältigkeit unter den nackten Fußsohlen, auf der Sonnenseite glühend heiß und auf der Schattenseite erfrischend kühl zu spüren war ein ganz besonderes Erlebnis. Wir alle waren uns einig: Khongoryn Els ist einer der schönsten Orte, wenn nicht sogar der schönste, den wir je erleben durften. Wir verliebten uns alle so sehr in die Sanddünen, dass wir sogar um 4:30 Uhr extra für den Sonnenaufgang nochmal aufbrachen und auf den Berg trotteten. Das ist Gobi, dafür sind wir hergekommen.

Tag 5

Immernoch beeindruckt machten wir uns schweren Herzens auf den Weg zum letzten Ziel: Bayan Zag, die Flaming Cliffs standen auf dem Tagesprogramm. Mit glühend heißer Sonne am Himmel schmolzen wir im Auto dahin. Dazu kam, dass der heutige Tagesabschnitt den schlechtesten Fahrweg der ganzen Tour bereithielt. Wir alle waren etwas fertig und konnten in der Mittagshitze die eigentlich sehr beeindruckende Landschaft gar nicht so richtig genießen. Die roten Sandklippen erinnern an den amerikanischen Grand Canyon und in der Gegend gibt es ganz viele Dinosaurierfossilien. Wir schleppten uns einmal bis zum Ende der Klippen und zurück und sind uns sicher, dass die mongolische Familie die am Parkplatz kalte Cola verkauft hat den Umsatz ihres Lebens gemacht hat! Auf dem Rückweg nach Dalanzadgad kamen wir in einen echten Sandsturm. Alle Fenster zu und Geschwindigkeit drosseln, damit wir zwischen den dicken Tropfen und braunen Staubwolken um uns herum schön auf dem Fahrweg bleiben. In der Stadt angekommen hängte Tomoro noch zwei Stunden Fahrt auf der asphaltierten Straße dran. Dann schlugen wir das letzte Mal für diese Tour unsere Zelte auf.

Tag 6

Rückfahrt. Asphaltierte Straße, trotzdem nur 70 km/h. Hier mal tanken, da unruhig auf dem Sitz rumrutschen. Einvernehmliches Gähnen und eine leichte Ungeduld. Keiner will mehr sitzen. Die Pausen wurden häufiger, aber trotzdem kamen wir bereits gegen 15 Uhr im Woodpeckers Inn an. Eine frühe Rückkehr, da wir am Vortag schon so gut Strecke gemacht haben. Wir haben die Tour sehr genossen, so vielfältige und schöne Naturszenen gesehen wie selten und die perfekte Reisegruppe gehabt. Wir haben viel gelacht mit Sanni, Matthieu und auch Tomoro. Wir werden unsere kleine Crew sicher das ein oder andere Mal vermissen, aber man will das Gruppenglück ja auch nicht ausreizen und aufs Spiel setzen 😉 ! Auch wenn wir „Touristentouren“ eigentlich skeptisch gegenüber stehen, ist es in der Mongolei nur sehr sehr schwierig anderweitig zu solchen entlegenen Zielen zu kommen. Unseren Roadtrip in die Wüste Gobi werden wir jedenfalls in guter Erinnerung behalten und so schnell nicht vergessen!

 

 

2 Comments

  1. Ich glaube was ihr wirklich erlebt und gespürt habt ist noch tausend mal schöner als jeder Text und jedes Foto es ausdrücken kann, aber es ist auch so schon sehr beeindruckend!

    1. Wir können selber noch gar nicht glauben, was wir da erlebt haben. So richtig angekommen ist das bei uns noch nicht, und mit jedem Mal Fotos anschauen realisieren wir etwas mehr, wie schön es da war 🙂

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